Klassik, nein Danke?
Liebe Hörer,
es gibt Epochen und Komponisten der klassischen Musik, mit denen ich nichts anzufangen weiß – trotz mehrmaliger Versuche. Schon als Zwölfjähriger weigerte ich mich im Klavierunterricht, Mozart oder gar Beethoven zu spielen; Satie, Debussy, Bartók, Bach gingen dagegen immer. Als Berufsjazzmusiker wurde Klassik für mich zum Systemreiniger: Musik voller Detailverliebtheit, Planung und distanzierter Emotion – im Gegensatz zum Jazz. Zu Hause höre ich mittlerweile öfter Klassik als Jazz, vor allem Renaissance, Barock, Spätromantik und 20.-Jahrhundert-Klassiker. Klassik pur (als Epoche)? Nein danke. Mozart’s Frohsinn, einfache Kadenzen und durchschaubare Begleitmuster ließen mich stets kalt – trotz aller Beteuerungen, da stecke mehr drin.
Doch nun eine Hintertür: Neulich zappte ich im Autoradio (danke, öffentlich-rechtliches Radio!) in ein Orchesterstück, das nach Mozart oder Haydn klang. Ich blieb dran – und plötzlich tauchten rhythmische Ideen, Akkorde, Melodien und harmonische Kniffe auf, die nicht passten. Modern, doch klassisch; zu fröhlich für Beethoven, mit Händel-Anklängen. Das Orchester – bissig, groovy, perfekt intoniert, dynamisch wie ein Alte-Musik-Ensemble – faszinierte mich.
Des Rätsels Lösung: Felix Mendelssohn Bartholdy! Symphonien und Streichersymphonien der Heidelberger Symphoniker unter Thomas Fey, aufgenommen von Tonstudio van Geest (Eckhard Steiger, Sandhausen). Mozart on drugs! Zu Hause bestellte ich vier CDs (Hänssler Classic) und höre sie mit purer Freude. Mendelssohn, romantisch gezählt, wirkt hier wie „romantischer Klassizismus“: Klassik, gewürzt mit Barock und Romantik-Einfällen. Wer weiß – bei Dauerschleife wage ich vielleicht bald Mozart neu.